15 December 2016
Serpent & Fire – MDR recording of the year
Eröffnungskonzert Pierre Boulez Saal
“Jephtha” – Dutch opera debut
Jenseits der zahllosen hochkarätigen Opern-Gesamteinspielungen zeigen die globalen Kataloge, wenn es um die Abbildung der Gattung in kleineren Formaten geht, eher ein desolates Bild. Sinn- und kontextfrei, zudem willkürlich kompilierte Arien-Sampler dienen ausschließlich degoutantem Star-Marketing und Kommerz, hingegen kaum der nachhaltigen Werke-Exegese.
Dass Ausnahmen bisweilen die Regel bestätigen, beweist vorliegende Konzept-CD, die im Zeichen der Königinnen Dido und Kleopatra steht. Beide gehörten zu den Protagonistinnen der Opera seria des 17. und 18. Jahrhunderts, beide galten als Paradigma für das Scheitern mächtiger Frauen in einem patriarchalisch geprägten Umfeld. Einmal mehr präsentiert die Sopranistin Anna Prohaska mit „Serpent & Fire“ den unbedingten Willen zu stringenter Programmatik und organischer, sinnstiftender Zusammenführung heterogenen Materials. Im Spiegel ausgesuchter Arien von Purcell, Graupner, Händel, Hasse, Cavalli und Castrovillari werden Tiefenschichten originärer Charaktere vermessen.
Stilsicher, hochvirtuos und mit grandioser Technik zeichnet die Sängerin Abgründe, Schmerz und Verzweiflung ihrer Figuren nach. Dabei entwickelt sie eine stimmliche Suggestivkraft, die Existentielles nicht nur aufscheinen lässt, sondern authentisch verhandelt. Wo andere Sängerinnen Drama nur simulieren, wird es mit Prohaska zur aufgeladenen Realität.
Selten einmal hat jemand Zerrissenheit, Melancholie und Trauer vergleichbar in Töne transferiert. Prohaska schenkt uns über die Kunst-Erfahrung hinaus existentielle Begegnungen. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Kontext das jederzeit organische, ungemein flexible und präzise Spiel des italienischen Ensembles Il Giardino Armonico. Unter Giovanni Antonini vermögen die Musiker jeder Nuance, jeder Bewegung der Sängerin zu folgen. Ein diskographischer Meilenstein.
Den ganzen Eintrag können Sie hier nachlesen.